Das NOHA-Dossier

Waffen, Erpressung und 80 Millionen

Das Jahr 1978: Griechenland bestellt Kriegsgerät aus der DDR im Wert von 80 Millionen US-Dollar. Es vermittelt die Nolte KG. Doch ein Erpresser will Schmiergeld. Der Deal droht zu platzen.

von Sola Hülsewig

Die Stasi-Zentrale in Bochum liegt unverdächtig in einer bürgerlichen Villa am Rand des Stadtparks. Was kaum jemand ahnt: von hier aus organisierten die Genossen der Weltrevolution dicke Waffendeals mit jedem, der die nötigen Devisen bot. Zum Beispiel mit Griechenland.

Es ist der Firmensitz der Nolte KG, die später NOHA heißen wird und sich indirekt über ausländische Holdings in den Händen der Sozialisten befindet. Die Vertreterfirma vermittelt Geschäfte zwischen der DDR und dem kapitalistischen Westen. Dafür kassiert sie von der westlichen Seite Provisionen. Die Gewinne fließen in Form von für die DDR überlebenswichtigen Devisen durch verschlungene Transfers an die SED oder direkt an die Stasi.

Bestellt: Panzerabwehrkanonen

Im Februar 1978 schreibt der Ex-Geschäftsführer und nun Berater der Nolte KG, Fritz Nolte, stolz an Gerhard Briksa, Minister für Handel und Versorgung in der DDR: „Sehr geehrter Herr Briksa, nachstehend Spezifikation, die über Pagounis direkt über Headquarters Athens läuft. Es handelt sich um einen Direktauftrag, keine Ausschreibung. Auftragsumfang ca. 80 Mill. US-Dollars.“ Aristidis Pagounis ist Vertreter der DDR-Außenhandelsfirma Maschinen-Export in Griechenland. Es folgt die Bestellung: Flugabwehrgeschütze und Panzerabwehrkanonen mit dazugehöriger Munition, Fernlenkgeschosse, Panzermunition. Schweres Kriegsgerät will Griechenland da von der DDR kaufen, Fritz Nolte reibt sich die Hände.

Ein Erpresser schaltet sich ein

Ehemaliger Firmensitz der NOHAEhemaliger Firmensitz der NOHA

Doch zu früh gefreut: Der Handel hat unvorhergesehene Nebenwirkungen. Ein gewisser Bruno A. Ritz von der Firma Brimex GmbH in Bad Wimpfen scheint von dem illegalen Geschäft Wind bekommen zu haben und will profitieren.

Er verlangt „Provisionen“ für seine Brimex GmbH, angeblich, weil er die Geschäftskontakte vermittelt habe. Am 21. Juli 1978 schreibt er scheinheilig an Fritz Noltes Frau Christel: „zunächst einmal darf ich Sie beglückwünschen dafür, dass das durch Ihre Aktivitäten, Einsatz und Vermittlung zustande gekommene Munitionsgeschäft mit Griechenland über Ihre persönlichen Bindungen zu Herrn Pagounis abgeschlossen werden konnte.“ Er fährt fort: „Wie ich durch Herrn Kipness erfuhr, kamen in diesem Erstauftrag die zunächst gewünschten Raketen und Geschütze noch nicht zum tragen, sondern lediglich Munition im Werte von 14 Millionen Dollar.“ Hierfür und für alle weiteren Geschäfte über dieselbe Verbindung fordert Ritz „Provisionen“ – oder anders gesagt: Schmiergeld.

„Wie ich durch Herrn Kipness erfuhr, kamen in diesem Erstauftrag die zunächst gewünschten Raketen und Geschütze noch nicht zum tragen, sondern lediglich Munition im Werte von 14 Millionen Dollar.“

Christel Nolte droht mit BKA

Um das Chaos komplett zu machen spielt hier nun die Ehekrise der Noltes hinein: Offenbar hat Fritz Nolte den unliebsamen Trittbrettfahrer an seine Frau verwiesen, mit der die Ehe nur noch auf dem Papier existiert. Christel Nolte reagiert empört und schreibt an Heinz Altenhoff, den Nachfolger ihres Mannes als Geschäftsführer der Firma: „Lieber Heinz, Fritz Nolte verbreitet überall er lässt sich scheiden, da ich mich im Waffengeschäft betätige!“ Sie sei mit der Scheidung einverstanden, wolle jedoch gegen die „Verleumdungen“ ihres Mannes Klage erheben.

„Lieber Heinz, Fritz Nolte verbreitet überall er lässt sich scheiden, da ich mich im Waffengeschäft betätige!“

Beim Erpresser Bruno A. Ritz versucht Frau Nolte es zunächst mit abwimmeln. Sie antwortet: „Da ich mit Ihnen und Ihrer Firma überhaupt keine persönlichen und geschäftlichen Beziehungen hatte, betrachte ich Ihr Schreiben als reine Provokation.“ Sofort verdächtigt sie ihren Mann: „Es würde mich nicht wundern, wenn dieses Schreiben beim meinem Mann […] vorliegen würde, beziehungsweise veranlasst wurde!“ Sie droht damit, das Bundeskriminalamt einzuschalten und verständigt ihre Anwälte.

Fritz Nolte knickt ein

Ob Christel Nolte wirklich nichts mit dem Waffengeschäft zu tun hatte, ist unterdessen höchst fragwürdig. Ein Brief dokumentiert ihren Geschäftskontakt zu Marc E. Kipness in Wiesbaden, über den der Griechenland-Deal gelaufen sein muss. In dem Brief ist verschlüsselt von „Weißwein“ und „Schiffsfiltern“ die Rede – anstelle von „Geschützen“ und „Munition“. Außerdem galt Christel immer als die gewieftere unter den Noltes: „Das war eine ganz Ausgefuchste, die hatte es faustdick hinter den Ohren!“, erinnert sich später das Ehepaar Altenhoff. Fritz Nolte wird dagegen von vielen Seiten als naiv und etwas einfältig beschrieben – deshalb setzt der Chef der DDR-Behörde „Kommerzielle Koordinierung“ Schalck-Golodkowski auch den viel versprechenden Altenhoff auf seinen Platz.

Das Ende der Geschichte: Fritz Nolte sieht sich zähneknirschend gezwungen, Bruno Ritz auszuzahlen. „Bitte Herrn Rechtsanwalt Schenkel verständigen, dass für die Anlage maximal 150 – 200.000,- DM gewährt werden kann. Weitere Diskussionen sind total überflüssig“, schreibt Nolte am 6. Oktober per Fernschreiben an Heinz Altenhoff.

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