Der Politiker

Die Stasi macht Politik

Obwohl viele Akten zur Stasi-Spionage im Westen vor der Wende vernichtet wurde, sind auch in NRW einige bedeutende Politiker als IM oder Quellen enttarnt worden. Eine Auswahl.

von Stephan Mündges

Karl Wienand, SPD, IM “Streit”: Ab 1953 saß er im Bundestag, bis Ende 1973 war Wienand Mitglied im Landesvorstand der NRW-SPD. Von 1967 bis 1974 war er parlamentarischer Geschäftsführer der SPD im Bundestag und hatte deshalb auch immer wieder mit heiklen Ost-Aufträgen zu tun. Dabei arbeitete Wienand ab 1970 für die Stasi und war damit, laut Historiker Hubertus Knabe, ein “hochkarätiger Informant”. Bis 1989 soll Wienand für die Stasi gearbeitet und in dieser Zeit mindestens 1,5 Millionen D-Mark an Agentenlohn bekommen haben. 1996 wurde er wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu zwei Jahren verurteilt, später wird er wegen gesundheitlicher Probleme von Bundespräsident Roman Herzog begnadigt.

Lothar Weirauch, FDP, genannt “X” oder auch “K X”: Geschäftsführer der NRW-FDP, ab 1950 Bundesgeschäftsführer der FDP in Bonn. “Er besitzt Kenntnis von großen Korruptionsfällen, dadurch hat er mehrere westdeutsche bürgerliche Politiker in der Hand”, heißt es in einem Stasi-Bericht 1952. Von 1964 bis zur Pensionierung 1973 Abteilungsleiter im Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen. Weirauch war im 3. Reich SA- und NSDAP-Mitglied und organisierte in Polen als Abteilungsleiter des Generalgouvernements Krakau auch Deportationen von Juden. Nach dem Krieg wurde er 1948 von der Stasi angeworben. Seine Akten belegen, dass er mindestens bis 1967 für das MfS gearbeitet hat.

Rudolf Maerker, SPD, IM “Max“: Nach dem Krieg KPD-Mitglied, zog nach Ostberlin und sendete beim “Deutschlandsender“ Propaganda gegen die BRD. 1952 flüchtete er nach Westberlin und begann für die SPD zu arbeiten. 1967-86 Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Bonn. Maerker galt als Vertrauter von Willy Brandt und Herbert Wehner. Von 1968 bis zu seinem Tod 1987 lieferte Maerker über 1700, für die Stasi teils sehr wertvolle Informationen, z.B. über die Verstrickungen von SPD-Politikern in die Flick-Affäre.

Tarnname Polo: Manfred Dammeyer wurde als Quelle geführtTarnname Polo: Manfred Dammeyer wurde als Quelle geführt

Manfred Dammeyer, SPD, Tarnname Polo: Saß für die SPD von 1975 bis 2005 (mit kurzer Unterbrechung im Jahr 2000/01) im Düsseldorfer Landtag. 1995-98 Minister für Europa- und Bundesangelegenheiten, 1998 bis 2000 SPD-Fraktionsvorsitzender. 1978 knüpfte die Stasi erstmals Kontakt zu ihm. Dammeyer wurde von der Stasi als “Quelle“ geführt, das heißt von ihm wurden mindestens unwissentlich Informationen abgeschöpft, vermutlich durch den Leiter des internationalen Pressezentrums der DDR, Fred Müller, der auch gleichzeitig als IM für die Stasi aktiv war. Eine direkte Zusammenarbeit mit dem Ost-Geheimdienst streitet Dammeyer ab.

Friedhelm Fahrtmann, SPD, Deckname “Glücksmann“: Vorgänger von Dammeyer als Fraktionsvorsitzender (von 1985 bis 1995). Davor war er zehn Jahre lang Landesarbeitsminister. Fahrtmann war zwischen 1987 und 89 insgesamt sechs Mal zum Jagen in der DDR. Von der Stasi wurde er als “Kontaktperson“ betitelt. In diese Kategorie fallen Gesprächspartner der Stasi, die ohne ihr Wissen abgeschöpft wurden.

Dr. Reinhard Ott, CDU, “IM Richard“: 1981 bis 1985 Referent der CDU-Landtagsfraktion, war bereits 1973 von seinem Bruder an die Stasi herangeführt worden. Kassierte im Verlauf seiner Agentenkarriere insgesamt 250.000 DM.

Willy Brandt und Spion Günter Guillaume (mit Sonnenbrille)Willy Brandt und Spion Günter Guillaume (mit Sonnenbrille)

Gottfried Busch, CDU, “IM Baum”: Vorsitzender des evangelischen Arbeitskreises der CDU in Bonn und Pfarrer der Thomas-Kirche im Bonner Prominentenstadtteil Röttgen hat fast drei Jahrzehnte lang für die Stasi gespitzelt.. 1994 wegen geheimdienstlicher Nachrichtentätigkeit zu 18 Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe von 30.000 DM verurteilt.

Dr. Hartmut Meyer, SPD, “IM Rubinstein”: Bonner Ministerialrat, hatte sich Anfang der 1970er während seines Psychologiestudiums an der FU Berlin anwerben lassen. Für die Stasi beschaffte er u.a. interne Papiere aus der SPD-Geschäftsstelle.

Dr. Wilhelm Vollmann, früher SPD, heute die Linke, “IM Crohne”: 1970 angeworben, 1973-75 Vorsitzender der Jusos NRW, 1990-93 SPD-Landtagsabgeordneter in NRW, davor u.a. Ratsmitglied in Köln. Vollmann war bis 1989 für die Stasi aktiv, bekam aber keinen Agentenlohn. Als 1993 Anklage gegen ihn erhoben wird, tritt er von allen Ämtern zurück, 1994 Ausschluss aus der SPD, 1996 Verurteilung zu neun Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe von 10.000 DM.

Armin Hindrichs, “IM Talar”: war 1960 nach längerer Haft in Bautzen im Auftrag der Stasi nach Westdeutschland übergesiedelt, ab 1972 Mitarbeiter der SPD-Bundestagsfraktion in Bonn, zuständig für Deutschland und Entwicklungspolitik. 1996 wurde Hindrichs zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

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