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Rette sich, wer kann

Geschäftsführer von Parteifirmen versuchten nach der Wende, sich ihren Start in den Kapitalismus zu erschwindeln. Zwei Beispiele aus Essen und Bochum.

von David Schraven

In den letzten Tagen der DDR hatten die Parteifirmen im Westen alle Hände voll zu tun: Viele Manager wollten Geld aus Volkseigenen Betrieben Ostdeutschlands abziehen und damit den eigenen Start in den Kapitalismus finanzieren. Es musste ja irgendwie weitergehen. Warum nicht das Geld des Volkes nehmen? Hatte das Volk doch gerade das eigene Regime gestürzt. Zwei Firmen taten sich bei diesem Beutezug besonders hervor: Die Intema und – wie aus Unterlagen erstmals hervorgeht – auch die Bochumer Firma NOHA.

Der Geschäftsführer der Intema, Detlef von der Stück, kaufte die Stasi-Firma direkt nach der Wende für 10,3 Millionen Euro. Er wollte Handelsgeschäfte mit osteuropäischen Firmen anschieben. Doch der Millionendeal ging zu Lasten des damals noch ostdeutschen Staates.

Verkauft hatte die Firma Waltraud Lisowski, eine Vertraute von Alexander Schalck-Golodkowski. Lisowski leitete große Teile der Kommerziellen Koordinierung, der Abteilung für Auslandsdevisen unter Kontrolle der Stasi. Unter anderem steuerte sie die Intema und die zum gleichen Komplex gehörende NOHA über Briefkastenfirmen in Vaduz oder Curacao. Die Devisengewinne flossen in den “disponiblen Parteifonds” der SED.

BRD klagt: 30,4 Millionen Mark

Am 13. September 1994 ging von der Stücks Intema-Nachfolgerin VDS insolvent. Am 8. April 1997 verhaftete die Berliner Staatsanwaltschaft schließlich Waltraud Lisowski. Die Ermittler entdeckten dabei ein Nummernkonto Lisowskis. Auch gegen von der Stück, der zu diesem Zeitpunkt in U-Haft saß, stellte die Staatsanwaltschaft einen weiteren Haftbefehl aus.

Die 10,3 Millionen Mark, die von der Stück für die Intema 1990 bezahlte, waren viel zu wenig. Am 26. Septemter 1995 verklagte die Bundesrepublik Deutschland von der Stück und Lisowski auf 30,4 Millionen Mark Schadensersatz.

Besonders dreist: 7,3 Millionen, also mehr als 70 Prozent des Kaufpreises, bekam von der Stück von seiner alten Vertrauten Traudl Lisowski zurücküberwiesen. Als Darlehen aus den Überbleibseln des alten Schalck-Imperiums. Für den Kredit musste von der Stück laut Focus keine Sicherheiten vorlegen. Tatsächlich zahlte er den Kredit wohl nicht zurück. Als von der Stück im Herbst 1994 mit seiner neuen Firma pleite ging, waren die 7,3 Millionen verloren.

Kapitalismus bei der NOHA

In trauter Dreisamkeit: NOHA-Bosse Wilhelm Ahrens, Heinz Graupe und Heinz Altenhoff (von links)In trauter Dreisamkeit: NOHA-Bosse Wilhelm Ahrens, Heinz Graupe und Heinz Altenhoff (von links)

Einen ähnlichen Deal hatte offenbar die Firma NOHA aus Bochum vor: Am 19. Februar 1990 gründete die Geschäftsführung der NOHA eine neue Firma: Die IVK Industrie-Vertriebs-Kontor in Hattingen. Grundkapital: 100.000 Mark. Im März 1990 kurz nach der Gründung flossen zusätzlich 750.000 Mark in die IVK als weiteres Stammkapital. Die Firma sollte sich auf den Handel mit Industriepapier konzentrieren.

Erster Geschäftsführer der IVK wurde Wilhelm Ahrens aus Essen. Der genoss offenbar das besondere Vertrauen seiner Vorgesetzten. Zuvor hatte Ahrens als Prokurist der NOHA die Türen zu Heckler & Koch aufgeschlossen. Zweiter Geschäftsführer wurde Heinz Graupe aus Bochum. Wie Ahrens war auch Graupe zeitgleich als Prokurist bei der NOHA tätig.

Falsche Provisionen

In der Folge lenkte die NOHA Geld zu ihrer neuen Tochter. Im Zuge einer Provisionsabrechnung mit dem DDR-Außenhandelsgiganten Technocommerz überwies das DDR-Unternehmen etwa 752.000 Euro an die NOHA. Dies geht aus Unterlagen hervor, die dieser Zeitung vorliegen. Im September telefonierte dann angeblich eine Angestellte der Technocommerz mit NOHA-Prokurist Graupe. Sie sagte ihm, der Betrag sei zu hoch gewesen, man habe sich mit den Provisionssätzen vertan. Zwei Monate später veranlasste die NOHA die Rücküberweisung von 387.000 Euro aus der Summe.

Allerdings flossen davon nur 258.000 Richtung Technocommerz. Der Rest ging an die IVK, der frisch gegründeten Tochter der NOHA. Angeblich habe diese „Leistungen“ erbracht.

Nahezu gleichzeitig strömte Geld von weiteren Firman zur NOHA. Auch dieses Geld war angeblich für die Technocommerz bestimmt. Hier notierte Graupe, dass Geld werde per Scheck an die Technocommerz weitergeleitet. Ob es je dort angekommen ist, wissen bis heute nur die Beteiligten. Hunderttausende Mark verschwanden in der Wendezeit per Scheck aus den Kassen der NOHA. Das geht aus der Buchhaltung der Firma hervor. Als Verwendungzweck findet sich meist nur der Hinweis: “Umbuchung”.

Ahrens will sich an nichts erinnern

Der erste Geschäftsführer der IVK, Wilhelm Ahrens, sagt, er sei nur wenige Tage oder Wochen Geschäftsführer der IVK gewesen. Dann sei er ausgeschieden. Er könne sich an nichts erinnern. Er wisse auch nicht, wo das Geld hergekommen sei oder was die IVK gemacht habe. Graupe war nicht zu sprechen.

Der Geschäftsführer der NOHA, Heinz Altenhoff, gestattete sich nach der Wende eine Abfindung von einer Million Mark. Wegen Steuerhinterziehung wurde er später zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt. Er kam gegen Zahlung einer Spende von 300.000 Mark an einen gemeinnützigen Verein auf freien Fuß. Die IVK zahlte 800.000 Mark an die NOHA zurück. 1992 wurde sie aufgelöst. Die NOHA ging Pleite.

Seine Firma habe niemand mehr gebraucht, erinnert sich Altenhoff: „In der DDR machte sich nach der Wende doch jede Schreinerei selbstständig. Wer brauchte schon noch eine Vertreterfirma?!“

Ein handgeschriebener Zettel aus den Betriebsunterlagen der NOHA; gefunden direkt neben einem Scheckheft, in dem Barausschüttungen über mehrere hunderttausend Mark ausgewiesen sind. Der Zettel ist ein Blankoformular zum Abstreiten jedweder Verstrickung beim Beiseiteschaffen von volkseigenem Vermögen aus der DDR. Die passenden Stellen sind frei gelassen, um die richtigen Namen und Daten einzutragen.Ein handgeschriebener Zettel aus den Betriebsunterlagen der NOHA; gefunden direkt neben einem Scheckheft, in dem Barausschüttungen über mehrere hunderttausend Mark ausgewiesen sind. Der Zettel ist ein Blankoformular zum Abstreiten jedweder Verstrickung beim Beiseiteschaffen von volkseigenem Vermögen aus der DDR. Die passenden Stellen sind frei gelassen, um die richtigen Namen und Daten einzutragen.

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