Die Fluchtkohle

Waffendeals bei Weißweinschorle

Mehr als ein Dutzend West-Firmen finanzierten die Stasi. Die Bochumer Firma NOHA half mit dubiosen Kriegsgeschäften. Geschäftsführer Heinz Altenhoff fühlt sich heute als „arme Kirchenmaus“

von Florian Riesewieck

Als Heinz Altenhoff die Tür öffnet, steht da die Polizei. Es ist der 18. Dezember 1991, halb acht Uhr und die Herren wünschen noch einen guten Morgen, ehe sie ihn vor den Augen seiner Frau in Untersuchungshaft nehmen. Die Vorwürfe wird er später im Prozess wieder und wieder hören: Als Geschäftsführer der Bochumer Firma NOHA habe er der DDR jahrelang verdeckte Gewinne zugespielt und die Bundesrepublik um Steuer-Millionen geprellt. Fast 20 Jahre lang hat er darüber nicht gesprochen. Jetzt – mit fast 80 – blickt er zurück auf jenen „Tag X“, wie er sagt. An dem sein Ost-West-Spiel aufflog. An dem er seine eigene Wende erlebte.

Das Gute, aus seiner persönlichen Sicht, liegt davor. Und das tut es wenig überraschend, denn es hat zu tun mit VIP-Cards und Weißweinschorlen. Die NOHA Handelsgesellschaft mit beschränkter Haftung ist eine erfolgreiche Vertreterfirma. Für Unternehmen wie Adidas oder Heckler & Koch vermittelt sie von Bochum aus Waren ins Ausland, vor allem in die DDR. Mal sind es Pullis, mal Pistolen. Für jedes Geschäft kassiert die NOHA Provisionen von bis zu zehn Prozent. Und die überweist sie auf ein Konto der Stasi. Er selbst sei nie Kommunist gewesen, behauptet Altenhoff: „Ich war immer für die CDU.“ Die Akten der „operativen Personenkontrolle“, die die Stasi heimlich über ihn angelegt hat, sagen allerdings etwas anderes. Altenhoff sei in der Deutschen Kommunistischen Partei gewesen und 1986 sogar zum Geburtstag Erich Honeckers eingeladen gewesen, steht da. Altenhoff streitet dies ab: „Ich habe Honecker nie gesehen.“

Ein zweites Gehalt aus der DDR

Firmensitz der NOHA am Bochumer StadtparkFirmensitz der NOHA am Bochumer Stadtpark

Am Ende gönnt sich Geschäftsführer Altenhoff in der Firma ein Jahresgehalt von 144.000 Mark. Aus der DDR erhält er zusätzliches Handgeld, in einem Jahr sind es mal fast 115.000 Mark. Dazu kommen allerlei Vorteile: Im Hotel Metropol in der DDR-Hauptstadt Berlin besitzt Altenhoff eine VIP-Card. In den Restaurants erhält er bevorzugt einen Tisch, bei Konzerten sind Karten für ihn reserviert. Und selbst die Arbeit in Bochum beginnt morgens erst einmal mit einer Weißweinschorle. Das Glas in der Hand, kann er aus dem Fenster die Bäume und Sträucher wachsen sehen.

Die Firma NOHA hat ihren Sitz in einer Villa am Bochumer Stadtpark. Drei Stockwerke – und mit jeder Treppenstufe nach oben steigt man in der Hierarchie des Unternehmens eine Stufe herab. Heinz Altenhoffs Büro liegt im Hochparterre, ganz oben auf der Hierarchieleiter. Geschäftspartner empfängt er in der Couchecke. Auf einen Vertrag stoßen sie an der Holz-Bar an. Sogar die Toilette ist mit einem Berber-Teppich ausgelegt.

Heinz Altenhoff bestellt einen Pinot Grigio. Mittags, beim Italiener, im Sommer 2011. Weintrinker ist er geblieben. Es ist eine der wenigen Konstanten, die den Tag X überlebt haben. Der Breisgau, nicht Bochum ist heute seine Heimat. Propper sieht er nur noch auf den Schwarz-Weiß-Fotos von einst aus, über die er heute aus hohlen Backen lacht. Er spricht mit trockenem Mund, wegen all der Tabletten. Bald wird er 80 Jahre alt. Und zu keiner Zeit vergisst er den Nachsatz: „Falls ich diesen Geburtstag überhaupt noch erlebe.“

"Ohne meine Frau wäre ich nicht mehr"

Wochen und Monate hat er im Krankenbett verbracht. Wenn er nicht in der Klinik ist, lebt er in einer Seniorenwohnanlage. Er ist schwerpflegebedürftig, auf Rollstuhl oder Rollator angewiesen, und ohne seine Frau, sagt er, wäre er längst nicht mehr. „Seit 20 Jahren geht es mir jetzt schon nicht gut.“ Die Narben am Brustkorb zeugen von verschiedensten Operationen. Er hat künstliche Herzklappen, einen Herzschrittmacher. Gekrümmt geht er, seit ihm die Ärzte bei einer OP am Rücken versehentlich einen Nerv durchtrennten. Am liebsten wolle er sie verklagen, sagt er. Aber dazu fehle ihm heute das Geld.

„Seit 20 Jahren geht es mir jetzt schon nicht gut.“

Als Jugendlicher ist Heinz Altenhoff 1,90 Meter groß und ein passabler Leichtathlet. 100 Meter, Hochsprung, Speerwurf. Immer schneller, höher, weiter. Beim Fußball schafft er es mit dem SC Dahlhausen bis in die Verbandsliga, trägt die Nummer fünf auf dem Rücken, bis er 25 ist. „Irgendwann hat mich dann ein unfairer Verteidiger von hinten umgegrätscht“, erzählt Altenhoff. Die Diagnose: Innen- und Außenmeniskusschaden. Von einem Tag auf den anderen kann er keinen Sport mehr machen. Ein erster kleiner Tag X.

Altenhoff entwickelt neue Ziele. Er beginnt eine kaufmännische Lehre, arbeitet im Bergbau in der Verwaltung und steigt vom Prokuristen zum Geschäftsführer auf. „Dann habe ich in der Zeitung eine Anzeige gelesen und mich daraufhin beworben.“ Die Firma NOHA heißt damals noch Nolte. Fritz Nolte ist ihr Geschäftsführer, und Heinz Altenhoff beginnt 1973 als sein Assistent.

Große Geschäfte feiert er mit Zigarre

Beim Italiener serviert die Kellnerin die Vorspeise. „Einmal Carpaccio für den Herrn“, sagt sie freundlich. Aber Heinz Altenhoff bemerkt sie kaum. Seine Aufmerksamkeit klebt an einem Foto aus jenen frühen Tagen. An einem gemaserten Holztisch erkennt er Geschäftsführer Fritz Nolte, den Bochumer Direktor der Bank für Gemeinwirtschaft (BfG) Ernst Dimmek, den Generaldirektor des DDR-Außenhandelsbetriebs Holz & Papier Günther Kemmler, der einen Vertrag unterschreibt, und: „Meine Wenigkeit.“ Sein Blick bleibt an der Zigarre hängen, die er auf dem Foto zwischen Mittel- und Zeigefinger balanciert. „Dabei rauche ich doch gar nicht.“ Zigarren und Wodka standen für ein gutes Geschäft. Dies also war eines. „Und sowieso hat der Nolte immer gerne einen springen lassen. Mit Geld war der großzügig.“

Von lins: Generaldirektor Günther Kemmler, Heinz Altenhoff, Bankdirektor Ernst Dimmek, Fritz NolteVon lins: Generaldirektor Günther Kemmler, Heinz Altenhoff, Bankdirektor Ernst Dimmek, Fritz Nolte

Genauso offen wie mit der Geldbörse geht der damalige Geschäftsführer Nolte mit seinem Parteibuch um. Als er die Firma 1961 gründet, gehört er der KPD an, der Kommunistischen Partei Deutschlands, ist Sekretär der Ortsgruppe Bochum-Dahlhausen. Aber er gehört zu den gemäßigten Linken, anders als seine Frau Christel. Die ist auf dem Papier nur Kommanditistin, hat schon bald aber mehr zu sagen als ihr Mann, der sich oft naiv und selten nüchtern zeigt. Christel Nolte hat die besten Kontakte zur Stasi. Zu Alexander Schalck-Golodkowski, dem Chef für die Kommerzielle Koordinierung. Er gibt die Anweisungen. Sie führt aus.

Mit Alkohol redete er über alles

Interne Dokumente zeigen, wie gut die Stasi schon damals über Noltes Lebens- und Führungsstil Bescheid weiß. Der „Genosse Wendlandt“ beschreibt ihn in einer schriftlichen Mitteilung als „großen Quatschkopf“, der besonders unter Alkoholeinfluss über alle Dinge rede, auch über seine Zusammenarbeit mit der DDR. „Selbst ein Geheimnis-Lehrling würde von Nolte alles erfahren“, verrät der Genosse. Der KoKo-Boss Schalck-Golodkowski hat über Nolte genug erfahren. Dessen Firma, die der DDR doch Geld bringen soll, ist faktisch pleite. Schalck-Golodkowski arbeitet an Noltes Absetzung.

„Selbst ein Geheimnis-Lehrling würde von Nolte alles erfahren.“
Heinz Altenhoff über sein Gespräch mit Schalck. Audio: Florian Riesewieck

Gemächlich kaut Heinz Altenhoff zu Ende. Mit schwacher Hand führt er die Serviette zum Gesicht, tupft es ab. Dann öffnet er den Mund, aber es dauert noch ein paar Sekunden, ehe er langsam zu erzählen beginnt: „Ich wurde in sein Büro gerufen. Das war das einzige Gespräch, das ich mit Schalck in den ganzen Jahren unter vier Augen geführt habe. Fünf, sechs Minuten waren das. Er fragte: Sagen Sie mal, trauen Sie sich das zu, die Nolte KG auf Vordermann zu bringen?“

Im Dezember 1977 wird Heinz Altenhoff Geschäftsführer. Aus der Firma Nolte wird die NOHA. Die Mitarbeiter witzeln schon bald über den neuen Namen: „Nichts ohne Heinz Altenhoff“, texten sie. Es sind noch ziemlich genau 14 Jahre bis zum Tag X. Und die Stasi beginnt, Druck zu machen.

Eine Müll-Leiche nahe der Reeperbahn

Verantwortlich dafür ist wiederum die Kommerzielle Koordinierung unter Alexander Schalck-Golodkowski, der kurz zuvor eine neue Abteilungsleiterin eingestellt hat: Waltraud Lisowski ist jetzt für die „Firmen im nicht-sozialistischen Wirtschaftsgebiet“ zuständig. Die NOHA ist eine aus einem guten Dutzend. Erst sind sie nur politisch an die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) angebunden. Jetzt übernimmt die KoKo auch die Mehrheit der Gesellschaftsanteile. Die Firmenvertreter müssen regelmäßig nach Ost-Berlin kommen, um ihre Geschäfte offenzulegen. Wenn Heinz Altenhoff zu Besuch ist, klopft ihm Schalck-Golodkowski auf die Schulter: „Mensch“, sagt er dann. „Mach' so weiter.“

Für Vertreter anderer Unternehmen läuft es weniger erfolgreich. Der Geschäftsführer der Essener Firma Intema ist plötzlich tot. Karl-Heinz Nötzel soll sich beim Essen verschluckt haben. „Kann passieren“, kommentiert Altenhoff, mühsam kauend, „aber das ist nie richtig aufgeklärt worden.“ Fritz John Bruhn stirbt angeblich an seinem eigenen Erbrochenen. Er ist schon tot, als er gefunden wird. In einem Bett des Hotels Metropol, in dem auch Altenhoff ein- und ausgeht. Und der Hamburger Firmenleiter Uwe Harms landet leblos in einem Müllbeutel nahe der Reeperbahn. „Kurz vorher habe ich noch mit ihm gesprochen“, erinnert sich Altenhoff. „Er sagte: Irgendwann muss auch mal Schluss sein mit dem Geschäft. Dass er dann auf diese Weise stirbt…“ Altenhoff stockt für einige Sekunden. „Das gibt einem schon zu denken, ne?“

"Die vom Bundesnachrichtendienst sind irgendwann auf mich zugekommen. Und ich fühlte mich irgendwie verpflichtet. Wir trafen uns irgendwo."
Heinz Altenhoff über den BND. Audio: Florian Riesewieck

Auch ihm, Heinz Altenhoff, einem der Musterschüler von KoKo-Boss Schalck-Golodkowski. Ob die Stasi mit den dubiosen Todesfällen zu tun hatte? Haben sich die Toten etwas zu Schulden kommen lassen? Was Schalck wohl über ihn wisse? Altenhoff macht sich in dieser Zeit viele Gedanken. Denn längst ist er für zwei Seiten tätig. Für die DDR macht er Geschäfte. Für die BRD plaudert er über den KoKo-Chef. „Die vom Bundesnachrichtendienst sind irgendwann auf mich zugekommen. Und ich fühlte mich irgendwie verpflichtet. Wir trafen uns irgendwo.“ Und es kam: irgendwer. Das gleiche Schema, jedes Mal: Ein Auto fährt vor. Dasselbe, das ihn später nach Hause bringen wird. Die BND-Agenten kennen seinen Namen, er aber nicht ihren. Und später, zu Hause in Bochum, ist er unsicher, ob Schalck-Golodkowski wohl etwas mitbekommen hat.

Waffengeschäfte mit Heckler & Koch

Umso härter arbeitet er an den Zahlen seiner Firma. Bis Mitte der 1980er Jahre halbiert er die Belegschaft. „Ein paar der Kommunisten musste ich übernehmen“, erzählt er. „Aber die Christel Nolte – die nicht! Sie war eine hübsche Frau, und der Fritz Nolte ist darauf reingefallen.“ Die zierliche Münchnerin konnte mit ihren Reizen umgehen. Sie sei oft gezielt eingesetzt worden, um Geschäftspartner um den Finger zu wickeln, erzählt Altenhoff. Ihn habe sie aber nicht leiden können, habe ihn sogar einmal entlassen, als er noch Assistent war. Fritz Nolte habe ihn dann wieder eingestellt. „Im Geldausgeben war sie gut“, sagt Altenhoff, „Sie hat die Firma Millionen gekostet.“

Inzwischen macht das Unternehmen Millionengewinne. Aber die Stasi will noch mehr. Bei einem ihrer Besuche fordert Waltraud Lisowski höhere Provisionen. Altenhoff ist zunächst skeptisch, sagt dann aber zu. Höher, schneller, weiter. Es schmeichelt ihm, gut zu sein. Es reizt ihn, zu den Besten zu gehören, wichtig zu sein. Ob für Ost oder West.

Die müden Augen erhalten auch heute noch einen leichten Glanz, wenn er vom Goldenen Messabzeichen erzählt, das ihm die DDR Mitte der 1980er Jahre verleiht. „Für meine Arbeit“, erklärt er. „Für meine gute Arbeit.“ Die Gewinne steigen, die Skrupel schwinden. Auch Altenhoff handelt jetzt mit Waffen. In einem Schreiben der Firma Heckler & Koch heißt es halbherzig verschlüsselt: „Nach siebenmonatiger Verlobungszeit – wobei wir uns auch nach anderen hübschen Mädchen umgesehen haben – haben wir uns entschlossen, unsere Zusammenarbeit mit Ihnen zu legalisieren und zu offizialisieren.“

Weil Heckler & Koch mit zehn Prozent die höchsten Provisionen zahlt, streckt die NOHA die Hand aus und verschließt Augen und Ohren. „Man sagte uns, die Waffen gingen an die Forstwirtschaft und Schützenvereine“, erzählt Altenhoff leise. „Aber wo genau die Sachen hingekommen sind, weiß ich nicht.“ Jedenfalls kaum an Schützenbrüder und Jäger – das wird auch Altenhoff gewusst haben. Tatsächlich verdient die DDR vor allem an großen Waffengeschäften mit dem Ausland. Bis 1989 beliefert sie den Iran mit 260.000 Sturmgewehren und 300 Millionen Schuss Munition und versorgt gleichzeitig auch dessen Kriegsgegner Irak. Auf diese Weise verdient sie mehr als eine Milliarde Dollar.

„Man sagte uns, die Waffen gingen an die Forstwirtschaft und Schützenvereine. Aber wo genau die Sachen hingekommen sind, weiß ich nicht.“

Schein-Geschäfte über Liechtenstein

Die Gelder der KoKo-Firmen kommen da noch oben drauf. Als Provisionen getarnt, zahlen NOHA und Co. über Liechtenstein und die Schweiz nach Ost-Berlin. Die Geschäfte finden nur auf dem Papier statt. Nach bundesdeutschem Steuerrecht mindern sie den Gewinn der NOHA. Die muss in der Bundesrepublik deshalb weniger Steuern zahlen. Während der westdeutsche Fiskus verliert, wird die Stasi reicher und reicher. Experten schätzen, dass die KoKo durch ihre Firmen zwischen 1986 und 1989 mindestens 30 Millionen Mark verdient hat.

5,7 Millionen Mark sollen es allein von der NOHA gewesen sein. Heinz Altenhoff schüttelt jedes Mal den Kopf, wenn er während des Prozesses im Juni 1992 diese Zahl hört. Dabei streitet er sie gar nicht ab. Es ist mehr ein: Ja, aber… „Die Stadt Bochum hat zwischen 1973 und 1989 doch im Schnitt 1,3 Millionen an Gewerbesteuern durch die NOHA bekommen“, sagt er. „Die Firma war einer der größten Steuerzahler. In Hattingen hätten wir nur die Hälfte zahlen müssen. Aber ich habe nicht einmal daran gedacht wegzuziehen.“ Das Bochumer Landgericht verurteilt ihn zu drei Jahren Haft. Auf Bewährung darf Altenhoff die nur deshalb verbüßen, weil er sich in der Berufung zu einer gemeinnützigen Zahlung von 300.000 Mark verpflichtet.

Damit nicht genug: Auch die Handelspartner, welche den DDR-Firmen wie der NOHA Provisionen zahlen mussten, stehen nach der Wende gegen die NOHAvor Gericht. Zum Beispiel die Siebtechnik GmbH Maschinen und Apparatebau aus Mülheim an der Ruhr. Die NOHA erlaubt sich tatsächlich, auf fehlende Provisionzahlungen für ihre angebliche Vermittlungsleistung zu klagen. Die Mülheimer Firma wehrt sich dagegen.

Anwalt Kuno Kriebel beantragt im April 1991, die Klage der NOHA abzuweisen. In seinem Antrag beschreibt er die Geschichte aus Sicht der Siebtechnik GmbH. Es habe keine schriftliche Vereinbarung für Provisionen an die NOHA gegeben. Die Mülheimer Siebtechnik-Firma sei dagegen von der DDR gezwungen worden, Provisionen zu zahlen. Vielen anderen westdeutschen Firmen sei es ähnlich gegangen.

Die Mülheimer haben bereits gute Beziehungen zu DDR-Firmen, bevor die NOHA sich 1979 einschaltet. Als die Mülheimer sich weigern, für die gleichen Geschäfte auf einmal Provisionen zu zahlen, genehmigen die zuständigen Stellen der DDR nach Angaben des Siebtechnik-Anwalts keine Aufträge mehr. Weil die Siebtechnik GmbH allein keine Geschäfte mehr an Land ziehen kann, ließ sie sich letztlich doch auf die NOHA ein.

Als die Mauer fällt, ist es mit den Geschäften längst vorbei. Als die NOHA kurz vor ihrem Ende stand, hat Altenhoff noch rasch Stammkapital für eine neue Firma zur Verfügung gestellt. Doch diese IVK überlebt nicht einmal zwei Jahre. „Es gab keine Geschäftskontakte mehr! Da war nix! In der DDR machte sich nach der Wende doch jede Schreinerei selbstständig. Wer brauchte schon noch eine Vertreterfirma?!“

"In der DDR machte sich nach der Wende doch jede Schreinerei selbstständig. Wer brauchte schon noch eine Vertreterfirma?!“

Sehr eigenes Schuldverständnis

Altenhoff gestattet sich bei der NOHA eine Abfindung von einer Million Mark. Auch wenn davon wegen Steuern und Anwaltskosten kein Pfennig geblieben sei, kassiert er noch heute eine monatliche Rente von 1900 Euro. Und trotzdem sagt er: „Der Richter, der mich verurteilt hat, der hat mich um meine Existenz gebracht.“ Eines wird schnell deutlich: Heinz Altenhoff hat ein sehr eigenes Schuldverständnis. Der brutale Verteidiger, der ihn in jungen Jahren umgrätschte. Die Ärzte, die ihm versehentlich einen Nerv durchtrennten. Der Richter, der sein Leben zerstörte.

Die anderen kamen straffrei davon: Alexander Schalck-Golodkowski, Waltraud Lisowski, auch die Verantwortlichen anderer KoKo-Firmen. „Ich war der Kollektivschuldner“, sagt Altenhoff, „und jetzt lebe ich wie eine arme Kirchenmaus.“ Er wischt sich einen Rest Saltimbocca aus den Mundwinkeln und bezahlt die Rechnung. Dann stemmt er sich vom Tisch des Italieners auf und setzt seinen Rollator in Bewegung.

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