Die Waffen aus dem Süden

Waffen für die Welt

Mehr als eine Milliarde Dollar im Golfkrieg, Dutzende Abnehmer: Die DDR handelte weltweit mit Waffen. Dafür war ihr jedes Mittel recht.

von Sola Hülsewig und Daniel Drepper

Der Spiegel bezeichnete den Waffenhandel einst als wahrscheinlich einträglichstes Exportgeschäft der DDR. Verbrecher oder Klassenfeind – Hauptsache das Geld stimmt. Die DDR belieferte im ersten Golfkrieg Iran und Irak, verkaufte an dutzende Länder in Afrika und Asien, verschleierte ihre Geschäfte über Drittländer und Nummernkonten und umging damit fast jedes Embargo, dass man sich nur vorstellen kann.

Über eine Milliarde Dollar hat die DDR allein am ersten Golfkrieg verdient, von 1980 bis 1989 belieferte sie sowohl Iran als auch Irak mit Waffen. Dass sich Hunderttausende Menschen mit Hilfe der DDR gegenseitig umbrachten, störte die Funktionäre nicht. Ebenso wenig, dass ihr Handel international verboten war.

"Ersatzteile" für Irak und Iran

260.000 Sturmgewehre, 300 Millionen Schuss Munition, 11.000 Panzerbüchsen, 800.000 Handgranaten und 11.048 IFA-LKW, also des „Industrieverbandes Fahrzeugbau“, der DDR-Marke Eigenbau; das lieferte die DDR im ersten Golfkrieg laut einem Bericht der FAZ allein an Iran. Im Gegenzug bekam die DDR Erdöl im Wert von fast einer Milliarde Dollar. Laute FAZ wurden noch bis 1989 iranische Soldaten in der DDR ausgebildet. Anfang 1989 macht die DDR dem Iran sogar nochmal den Vorschlag, Panzer und Flugzeuge zu verkaufen, die unter die Abrüstungsvereinbarungen von NATO und Warschauer Pakt fallen. Alexander Schalck-Golodkowski leitete die DDR-Abteilung zur Beschaffung von Auslandsdevisen. Er widersprach immer wieder, wenn die DDR plante, ihre Waffenproduktion zu begrenzen. Der Export lief einfach zu gut.

Das erste Geschäft mit den Iranern machte die DDR im Oktober 1980. 15000 Maschinenpistolen vom Typ Kalaschnikow, AKM, verkaufte die DDR. Der Iran zahlte 110 Dollar pro Waffe. „Die Lieferung der Position muß unter der Legende ‚Ersatzteile und Zubehör für Werkzeugmaschinen‘ erfolgen. Der Exportvertrag ist mit dieser Bezeichnung auszufertigen. Der iranischen Seite ist darüber kein schriftliches Angebot zu unterbreiten“, zitiert die FAZ im August 2000 ein Originaldokument. Den Irak belieferte Devisenbeschaffer Schalck-Golodkowski zu der Zeit übrigens mit den gleichen Gewehren, zum Stückpreis von 97 Dollar. Im Gegensatz zum Iran hatte der Irak die DDR runtergehandelt.

"Die Lieferung der Position muß unter der Legende ‚Ersatzteile und Zubehör für Werkzeugmaschinen‘ erfolgen. Der iranischen Seite ist darüber kein schriftliches Angebot zu unterbreiten."

Hatte die DDR bestellte Waffen und Ersatzteile nicht vorrätig, vermittelte sie diese aus Drittländern und half dabei, Waffen-Embargos zu umgehen. So verkaufte die DDR Ender der Achtziger Jahre mindestens zwei Mal nicht lieferbare Waffen aus der Tschechoslowakei durch Reexporte an den Iran. Der Lohn dafür waren Provisionen von etwa fünf Prozent.

Um die internationalen Waffenembargos zu umgehen und jeden Dollar mitzunehmen, arbeitete die DDR mit den windigsten Waffenhändlern der westlichen Welt zusammen. Dafür gründete Alexander Schalck-Golodkowski auf Weisung Honeckers 1982 die IMES GmbH. Gewinne der Imes wurden auf das KoKo-Handelskonto 0559 überwiesen. Schalck-Golodkowski und Erich Mielke sollen wegen der Waffenexporte in engem Kontakt gestanden haben.

Weil die DDR-Export-Gesellschaft Imes offiziell nicht mit Irak handeln durfte, arbeitete sie zum Beispiel mit Werner Kobbe und dessen Firma Eurocom Ltd zusammen. Kobbe vermittelte den Kontakt an die jordanische Firma Arab World Supply and Services. Diese Firma wurde extra gegründet, um Dreiecksgeschäfte mit dem Irak zu machen, wie der Spiegel 1992 berichtete. Kontakte hatten die Sozialisten auch zum saudischen Milliardär Adnan Kaschoggi, zu Waffenhändler Karl-Heinz Schulz und diversen Munitionsfirmen in Westdeutschland und Österreich.

Verträge? Nur mündlich

Der Spiegel schrieb damals, die DDR-Exportfirma Imes habe „für den Waffenhandel im Staatsauftrag ein dichtes Netz westlicher Vermittler und Händler geknüpft – absolute Geheimsache, auch nach innen.“ Verträge? Nur mündlich. Die Provisionen für die West-Vermittler liefen über Nummernkonten in der Schweiz. Noch 1989 will die DDR laut Spiegel eine Munitionsfabrik für 117 Millionen D-Mark bauen lassen. In einem DDR-Vermerkt bekennen die Verfasser, „daß wir uns voll im Embargo mit Nato-Wissenschafts-Know-how befinden. Die vorliegenden Angebote werden von Leuten erarbeitet, die von der Nato verpflichtet und Geheimnisträger der Nato sind.“

"Die vorliegenden Angebote werden von Leuten erarbeitet, die von der Nato verpflichtet und Geheimnisträger der Nato sind."

Auch der Syrer Mundhir el-Kassar war laut Stasi-Akten damals “sehr erfreut, den Kontakt mit einem Waffenhändler der DDR aufnehmen zu können”. Angeblich habe er gleich “eine ganze Reihe von Geschäftsvorschlägen über Beschaffung und Verkauf von Waffen” gemacht. Zum Beispiel für Geschäfte mit dem Südjemen.

Offenbar hatten viele Waffenhändler, die mit der DDR verhandelten, Verbindungen zu westlichen Geheimdiensten. So arbeitete die DDR mit Samuel Cummings, der damals laut Spiegel zum einen „seit Jahrzehnten die unumstrittene Nummer eins der Todeskrämer-Branche“ war, zum anderen aber auch für die CIA arbeitete. Auch die DDR-Partner Robert L. Oliver aus Irland und Tahsin Ammouri aus Jordanien sollen laut Spiegel dem CIA zugearbeitet haben. Das Verblüffende: Die DDR wusste zum Teil über die Lieferungen an die CIA Bescheid, freute sich aber trotzdem über die amerikanischen Dollars.

Unterstützung progressiver Kräfte

Massig Kontakte hatte die DDR auch in die Dritte Welt. In zwei Dutzend Länder lieferten die Volkseigenen Betriebe ihre Waffen. Durch „aktive Unterstützung für die progressiven und revolutionären Kräfte der Welt“ wollte die DDR den armen Ländern den Kommunismus schmackhaft machen. „Die Lieferung von Waffen und anderer Militärtechnik (…) war ein wesentlicher Bestandteil der sowjetischen Außenpolitik in den siebziger und achtziger Jahren“, schreibt Jürgen Borchert in seiner 2006 veröffentlichten Doktorarbeit „Die Zusammenarbeit des Ministeriums für Staatssicherheit mit dem sowjetischen KGB in den 70er und 80er Jahren“.

„Die Lieferung von Waffen und anderer Militärtechnik (…) war ein wesentlicher Bestandteil der sowjetischen Außenpolitik in den siebziger und achtziger Jahren.“

Der KGB schätzte die Schlagkraft der ostdeutschen „Nationalen Volksarmee“ und ließ die DDR somit auch mit Waffen handeln. Auch wenn die DDR letztlich wohl mehr Export-Kontakte hatte, als dem KGB bewusst und lieb gewesen sein dürfte. Ab dem 3. Januar 1975 existierten sogar Regeln für „militärische Unterstützungsleistungen“ in anderen Ländern, der Befehl Nummer 2/75 des Ministers für nationale Verteidigung, Heinz Hoffmann.

Die SED schickte Verteidigungsminister Hoffmann ab 1971 auf Reisen, wie der Spiegel schon 1976 berichtete. Hoffmann besuchte in den folgenden Jahren Irak, Syrien, Ägypten, Kongo, Algerien, Peru und Indien. Ausbilder der DDR waren außerdem unterwegs im Jemen, Guinea, Guinea-Bissau, Nigeria, Sambia, Somalia, Tansania, Mosambik und Angola. Auch nach Nicaragua, Jordanien, Äthiopien, Uganda und natürlich Kuba verkaufte die DDR Waffen.

Auch Jassir Arafats PLO bekam Waffen aus der DDR. Foto: weform.org / swiss-image.ch / Remy SteineggerAuch Jassir Arafats PLO bekam Waffen aus der DDR. Foto: weform.org / swiss-image.ch / Remy Steinegger

23 afrikanische und arabische Staaten bekamen laut Spiegel bis Mitte der 70er Jahre Waffen aus der DDR geliefert. In Afrika zum Beispiel die Befreiungsbewegung Frelimo in Mosambik, im arabischen Raum bekam zum Beispiel die palästinensische PLO von Jassir Arafat Handfeuerwaffen, Raketenwerfer, Granatwerfer und Munition.

Jürgen Borchert listet in seinem Buch exportierte Produkte auf: Schützenpanzer, Kampfpanzer, Kanonen, Haubitzen, Flakgeschütze, Raketen, Flugzeuge, Handwaffen, Ersatzteile, Instandsetzungsleistungen und Technologietransfers. Die Waffen wurden laut Borchert vor allem in einem Dutzend Volkseigenen Betrieben hergestellt: Dresen, Wiese, Lübbe, Königswartha, Ludwigsfelde, Mittenwalde, Pinnow, Neubrandenburg, Wurzen, Kapen, Silberhütte und Jena.

60 Millionen Schuss Munition auf Lager

In Kavelstorf hatte die DDR ein Lager, das flüssige Überseelieferungen der Exportfirma Imes sicherstellen sollte. Wie groß der Umsatz mit Waffen war, zeigt die Menge von Waffen, die allein im November 1989 in Kavelstorf lagerten unter anderem: 60.686.520 Stück Munition und Schützenwaffen, 26.370 Handfeuerwaffen, 48.960 Handgranaten, 9.429 Hohlladungsgranaten.

Intensive Beziehungen pflegte die DDR auch zu Griechenland. Jahrelang unterstützte sie die Kommunistische Partei KKE und nahm schon während des griechischen Bürgerkriegs 1948/49 1300 Kinder auf, die die griechischen Kommunisten aus den Kriegsgebieten herausbrachten. Sie sollten mit Hilfe der SED zu Mustersozialisten erzogen werden. Lohn dafür waren unter anderem Waffendeals, darunter ein kompliziertes Geschäft über 80 Millionen US-Dollar, dessen Verwicklungen wir an anderer Stelle beschrieben haben.

Entgegen des Militärregierungsgesetzes Nummer 53 und der geltenden Embargo-Gesetze lieferte auch die süddeutsche Firma Heckler & Koch Waffen an die DDR. 1988 schickt Heckler und Koch mindestens eine umfangreiche Lieferung in die DDR. Angeblich exportiert Heckler & Koch “Feinstbohrmaschinen“. Der Umsatz liegt laut den uns vorliegenden Unterlagen bei rund 60 Millionen D-Mark.

Auch über illegale Wege gelangt die DDR an Waffentechnik von Heckler & Koch. Jahrelang probierten die Spione, an begehrte Waffentechnik aus Süddeutschland zu kommen, jahrelang scheitern sie. Nach dem teuren Deal Ende der 80er Jahre, haben auf einmal auch die Spione Erfolg. Die Stasi vermerkt, dass die zuvor blockierten Bestellungen der DDR-Fabriken bedient werden können. Mit dem 14. September 1988 wird der erste Teilauftrag realisiert. Am 15. September kommt das begehrte G3 Gewehr. So geht es weiter.

2000 Handfeuerwaffen im Keller

Millionen Schuss Munition bekam die DDR auch aus Nordrhein-Westfalen. Die Troisdorfer Waffenfirma Dynamit Nobel machte mit den Sozialisten gute Geschäfte. Dieser Zeitung liegen dutzende Verträge vor, die erstmals belegen: Die Dynamit Nobel lieferte Ende der 80er Jahre tonnenweise Munition in den Osten. Allein am 20. November, elf Tage nach dem Fall der Mauer, unterschrieben das Waffenwerk Thälmann und die Dynamit Nobel noch fünf neue Verträge. Der Gesamtwert: 223.136,28 Mark.

Nach der Wende fand man im Keller der Kommerziellen Koordinierung in der Berliner Wallstraße 2000 Handfeuerwaffen, darunter auch Spezialwaffen von Heckler & Koch wie das Präzisionsgewehr PSG 1 oder die Maschinenpistole MP 5 K – samt Schalldämpfer. Einige der Waffen ließ sich KoKo-Chef Schalck-Golodkowski einfach von seinem persönlichen Fahrer Waradin Dimitroff in den Osten bringen. Der Westberliner Büchsenmacher Edgar Kuttscheidt beschaffte neben Waffen auch 250 Nachtsichtgeräte. Den Waffen der DDR stand die Welt offen. Das eigene Volk hatte nichts davon. Das Geld floss direkt in die schwarzen Kassen der SED.

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